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Die Geschichte der Alp- und Berghotels

Es waren im späten 16. Jahrhundert englische Jünglinge aus der britischen Oberschicht, die sich zum Abschluss ihrer Ausbildung an den Mittelschulen auf eine Europareise begaben. Man besuchte die klassischen Stätten in Europa, vor allem Italien war damals ein begehrtes Reiseziel. Begleitet wurden die jungen Engländer oft von Lehrern und Pfarrherren. Diese wollten ihren Schützlingen die Kultur und Sitten fremder Länder näherbringen. Es ging auch darum, die Sprache und Manieren der jungen Männer zu verfeinern und sie in die hohe Schule der Diplomatie einzuführen.

Die jungen Briten waren sozusagen die ersten Vorboten der späteren englischen Touristen, die Mitte des 19. Jahrhunderts den europäischen Alpenraum eroberten.

Im 17. Jahrhundert gab es dann eine sogenannte „Grand Tour“. Sie führte zu den Sehenswürdigkeiten des europäischen Festlandes, nach Rom, Paris, Florenz oder Madrid. In Tagebüchern und Reiseführern wurde die „Grand Tour“ propagiert. Damals dienten die Alpen allerdings bloss der Überquerung auf dem Weg in den Süden und wieder zurück. Die Schweiz, vor allem die Alpentäler im Wallis, wurde erstmals erwähnt.

Im 18. Jahrhundert wurde die Schweiz immer mehr zum Reiseziel der englischen Oberschicht. Vor allem die idyllischen Landschaften und die hohen Berge hatten es diesen ersten Touristen angetan. Man reiste vorerst über Frankreich an den Genfersee, später ins Berner Oberland. Die Schweiz wurde jetzt zum touristischen Reiseziel der Engländer.

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Es waren im 18. Jahrhundert Naturforscher und einige Schriftsteller, die schon früh mit Pferd und Kutsche in oder durch die Schweiz reisten und dabei die einzigartige Alpenwelt entdeckten. Vor allem dem damals berühmten Arzt, Naturforscher und Universalgelehrten Johann Jakob Scheuchzer (1672 bis 1733) aus Zürich war es zu verdanken, dass die Schweiz später in England zum begehrten Reiseziel wurde. Scheuchzer war der erste Forscher, der sich mit wissenschaftlichen Absichten in die Alpen wagte. Er bestieg sogar die Rigi und den Pilatus – und war von den Gipfeln begeistert. Nach seinen Reisen verschickte der Zürcher Briefe und Fragebogen zu Pflanzen, Tieren und Landschaften. Die Empfänger waren Politiker und Gelehrte in ganz Europa. Die Schweizer Alpenwelt wurde so bekannt und populär.

Johann Jakob Scheuchzer wurde bereits 1704 in die damals renommierte „Royal Society“ in London aufgenommen, was für den Schweizer Forscher eine grosse Ehre war. Nur selten wurde ein Ausländer Mitglied dieser elitären, englischen High-Society. Scheuchzer wurde also so etwas wie ein Pionier, als es darum ging, das Alpenland Schweiz in der britischen Gesellschaft zu etablieren.

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J.J. Rousseau und Goethe als Vorboten des alpinen Tourismus

Doch Scheuchzer war nicht der einzige, der Werbung fürs Alpenland Schweiz machte. Auch der Berner Patrizier, Arzt und Gelehrte Albrecht von Haller (1708 bis 1777) verbreitete die Romantik der Alpen über seine Verse „Die Alpen“, die 1729 veröffentlich wurden.

Etwa 40 Jahre später tauchte der in Genf geborene Jean-Jacques Rousseau (1712 bis 1778) auf und sorgte mit seinen Briefen und Schriften in ganz Europa für Aufmerksamkeit. Und natürlich spielte auch einer der grössten Dichter der Geschichte eine Rolle bei der literarischen Vermarktung der Schweizer Alpen: Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832) berichtete ausführlich, aber auch kritisch über seine Reisen durch die Schweiz.

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Vor allem die alpinen Attraktionen wie Staubbachfall (Lauterbrunnen) oder Rhone-Gletscher liessen Goethe nicht kalt. Der Gotthardpass und die Legende um Wilhelm Tell inspirierten ihn zu pointierten Schilderungen.

Haller, Rousseau, Goethe und Scheuchzer: Sie waren im 18. Jahrhundert die besten Werbeträger und Botschafter für die Schweizer Alpen. Ihre Schriften und Berichte führten dazu, dass immer mehr „Touristen“ in die Schweizer Berge pilgerten. Man könnte auch sagen: Goethe, Rousseau, Haller & Co. legten die geistige Grundlage für die spätere Entwicklung der Schweizer Alp- und Berghotellerie.

Die ersten Touristen besuchten die Schweiz also nicht mehr aus Forschungsgründen, sondern aus Vergnügen und zur Erweiterung des geistigen Horizonts. „Der Inhalt einer Reise war wichtiger geworden als ihr Ziel“, so der Historiker und Buchautor Dr. Roland Flückiger. „Man könnte diese Zeit auch als die Geburtsstunde des Schweizer Tourismus bezeichnen.“

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Die Engländer kolonialisieren die Schweizer Berge

Bereits im 18. Jahrhundert wagten sich Neugierige in die Gebirgs- und Gletscherwelt mit der Absicht, Berggipfel zu besteigen. So betrat ein Mönch aus dem Kloster Engelberg 1739 erstmals den Gletscher am Titlis. Fünf Jahre später bestieg eine Klettergruppe mit zwei Klosterbrüdern erstmals den Gipfel des Titlis. 1741 war es der Engländer William Windham (1717 bis 1761), der erstmals das Gletschereis am Montblanc betrat. Doch erst 1786 gelang einer Seilschaft nach mehreren erfolglosen Versuchen die Erstbesteigung des Montblac-Gipfels. 1811 wurde der erste Schweizer Viertausender bestiegen, nämlich der Jungfraugipfel (4158 Meter). Es war ein früher Höhepunkt in der Geschichte des Schweizer Alpinismus.

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Nach Titlis und Jungfrau folgte im August 1813 die Erstbesteigung des Breithorns (4164 Meter) bei Zermatt – und zwischen 1819 und 1822 wurden mehrere Gipfel im Monte-Rosa-Gebiet erstmals bestiegen. Dann wurde es in den Schweizer Bergen ruhig, bis um 1850 die Engländer die Berggipfel entdeckten. „Sie kolonialisierten von nun an die Alpengipfel während Jahrzehnten“, schreibt Roland Flückiger in seinem Bildband über Alpinismus und Bergtourismus. „Die Engländer nahmen die Schweizer Berge sozusagen in Beschlag“.

Dass die Schweizer Alpen Ende des 18. Jahrhunderts erstmals zum „Mekka der englischen Bergsteiger“ wurden, ist auf das Ende des Siebenjährigen Krieges zwischen England, Portugal, Spanien und Frankreich zurückzuführen. Bereits nach den Friedensschlüssen von Paris und Hubertusburg 1763 erreichte eine erste „englische Invasion“ die Schweizer Alpen, denn von nun stand den Engländern der Weg durch Frankreich wieder offen. Bevor die Briten die Alpen im Wallis und Berner Oberland eroberten, liessen sie sich in der Westschweiz nieder, vor allem am Genfersee. Von Genf aus hatten sie eine wunderbare Sicht auf den Montblanc…

Dann brach um 1789 die französische Revolution aus. Napoleons Kriege versetzten der touristischen Entwicklung in ganz Europa einen herben Rückschlag. Erst nach dem Wiener Kongress von 1815 herrschte in Europa wieder völlige Reisefreiheit. Die erste Fahrt eines Dampfschiffes über den Ärmelkanal von England an die französische Küste fand im Jahr 1816 statt.

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Warum die Engländer in die Alpen pilgerten

Die Frage drängt sich auf: Warum waren es gerade die Engländer, die dem Tourismus im Alpenraum so wichtige Impulse gaben? Roland Flückiger: „Entscheidend war zunächst die in England sehr früh einsetzende Industrialisierung bereits um 1800.

Es entstand eine vermögende Mittelschicht, die über genügend freie Zeit und Einkommen verfügte, um sich auf Reisen zu begeben.“ Hinzu kam auch die verbesserte Infrastruktur zum Reisen. Die Anfahrtszeit in Richtung Alpen verkürzte sich markant. Ein weiterer Grund war die Sport-Begeisterung der Engländer. Für sie war die Erstbesteigung eines Gipfels ein sportlicher Wettkampf.

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Die Engländer prägten die Eroberung der hohen Alpengipfel bis ins ausgehende 19. Jahrhundert wie keine andere Nation.

Angekurbelt wurde der englische Tourismus in die Schweiz vom jungen Engländer John Murray (1808 bis 1892), der 1829 den ersten Schweizer Reiseführer im Verlag seines Vaters in London herausgab.

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Die „Goldenen Jahre des Alpinismus“

Die ersten englischen Touristen hielten sich am Genfersee auf, bevor sie in die höher gelegenen Orte gingen. Interlaken wurde 1834 noch als „englische Kolonie“ bezeichnet. Wenige Jahre später entdeckten die Engländer Lauterbrunnen und Mürren. In Interlaken stiegen nun vor allem deutsche Reisende ab.

Und dann wurde vor allem Zermatt von den Engländern erobert. Das Dorf mit dem berühmtesten Berg wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zum „Mekka der englischen Berg-Enthusiasten“, wie Roland Flückiger sagt. Der Blick aufs Matterhorn gehörte bald einmal zum „must“ einer Reise in die Alpen.

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Es war die Zeit um 1850, als unter den englischen Berg-Enthusiasten ein Wettrennen um die Erstbesteigungen begann. Den Anfang machte das von Saas-Fee aus erreichbare Strahlhorn mit 4190 Metern. Das war 1854. Im gleichen Jahr wurde das Gasthaus Riffelberg oberhalb von Zermatt eröffnet. Es war nun das Basislager für die Hochtouren im Monte-Rosa-Massiv. Es folgte eine Erstbesteigung nach der andern: Dufourspitze 1855, Allalin- und Lagginhorn 1856, Dom 1858, Eiger 1858, Weisshorn und Schreckhorn 1861.

Höhepunkt und Abschluss dieser alpinen Hochsaison war dann die Erstbesteigung des Matterhorns durch die Seilschaft von Edward Whymper am 14. Juli 1865. Whymper bereitete sich fünf Jahre lang minutiös auf die weltberühmt gewordene Expedition am Matterhorn vor. Er logierte im Hotel Monte Rosa, dem Hauptquartier der Engländer in Zermatt. Die Seilschaft erreichte den Gipfel des Matterhorns, doch beim Abstieg kamen die meisten der Bergsteiger ums Leben. Die Tragödie am Matterhorn sorgte weltweit für Schlagzeilen in fast allen Zeitungen – und sorgte so wiederum für beste Werbung für die Alpenwelt.

Mehr als 30 Erstbesteigungen von Drei- und Viertausendern fanden während der „Goldenen Jahre“ (etwa 1850 bis 1865) statt. Es waren fast ausnahmslos britische Seilschaften, welche die Gipfel eroberten. Natürlich mit Unterstützung durch einheimische Bergführer.

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„Mekka“ der Engländer

Die Engländer dominierten die Szenerie in den alpinen Gegenden Mitte des 19. Jahrhundert fast total. Von den etwa 1700 Ankünften in Zermatt im Jahr 1857 waren 60 Prozent Engländer, 16 Prozent Deutsche, 10 Prozent Schweizer und 9 Prozent Franzosen. Laut Roland Flückiger wiesen seit den späten 1850er-Jahren zahlreiche Berichte auf eine eigentliche „Flut von Engländern“ hin, welche viele Berggaststätten teils wochenlang in Beschlag nahmen.

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Kein Wunder, waren es Engländer, die 1857 in London den ersten Alpenclub Europas ins Leben riefen: „The Alpine Club“. Seine Mitglieder waren vor allem Akademiker, Rechtsanwälte, Pastoren und Professoren. Der österreichische und der Schweizer Alpenclub entstanden erst viel später.

Die britische Clubzeitschrift „Alpine Journal“ sowie weitere Berichte und Bücher waren hervorragende Werbeträger für die Schweizer Alpen. Fazit: die Nachfrage nahm laufend zu, immer mehr Engländer strömten in die Schweizer Berge. In den von Engländern dominierten Hotelbetrieben von Zermatt, aber auch am Eggishorn oder auf der Belalp unterhielten sich die Menschen vor allem in englischer Sprache.

Die englischen Berg-Enthusiasten interessierten sich immer mehr auch für Berge um die 3000 Meter. So wurden das Blümlisalp-Massiv bei Kandersteg, das Faulhorn in Grindelwald, der Titlis bei Engelberg oder das Bernina-Massiv bei Pontresina entdeckt und bestiegen. Und in Mürren war, nach Bau des ersten Hotels im Dorf um 1858, das 2970 Meter hohe Schilthorn die grosse Attraktion der Engländer.

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Thomas Cook und seine Touristengruppen

Der Begriff „Massentourismus“ war damals noch unbekannt, doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich das Phänomen der Gruppenreise, nachdem die Berg-Enthusiasten aus England bisher meistens alleine oder in Kleingruppen die Schweiz aufgesucht hatten.

Erfinder der Gruppenreise war, wie könnte es anders sein, ein Engländer: Thomas Cook (1808 bis 1892). Cooks Gruppenreisen waren perfekt organisiert, das frühere Risiko einer selbständigen Tour in die Schweiz wurde fast vollständig ausgeschlossen. 1863 organisierte Cook die erste Gruppenreise durch die Schweiz.

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Diese Pionierreise führte von Genf zum Montblanc, dann nach Martigny, Sitten und Leukerbad. Cook wanderte mit seiner Gruppe über den Gemmipass nach Kandersteg, es folgten eine Kutschenfahrt nach Spiez und eine Schifffahrt nach Interlaken. Mit der Kutsche ging es dann weiter nach Lauterbrunnen, dann zu Fuss auf die Kleine Scheidegg. Später reiste Cooks Gruppe mit dem Dampfschiff über den Brienzersee – und es ging über den Brünnigpass nach Luzern. Höhepunkt dieser Etappe war die Besteigung der Rigi. Mit der Bahn fuhren die Engländer von Luzern nach Neuenburg – und dann nach London zurück.

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Hotel-Mäzene aus England

Das Interesse der Engländer an der Schweizer Bergwelt schien grenzenlos zu sein. So engagierten sich einige Briten auch finanziell zugunsten von Hotelbauten. Investiert wurde ganz diskret im Hintergrund, nur selten erfuhr die Öffentlichkeit von den finanziellen Engagements der britischen Investoren.

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Franz und Alexander Wellig aus Fiesch im Wallis hatten in den 1850er-Jahren die Absicht, ein Hotel am Eggishorn zu bauen. Der Engländer John Birkbeck (1817 bis 1890), ein leidenschaftlicher Bergsteiger, erfuhr von den Hotelplänen der Fiescher Hotelgründer – und beteiligte sich am Hotelbau mit einer beachtlichen Summe. Auch beim Bau des Hotels auf der Belalp griff der Engländer kräftig in seine Privatkasse.

Die Fiescher Hoteliers und Investor John Birkbeck waren kein Einzelfall, auch der Hotelier Johann Sterchi aus Mürren kam in den Genuss eines Darlehens von 38 400 Franken (nach heutigem Wert etwa 2 Mio. Franken), das ihm die Londoner Firma Bullok W. Thomas & Cie. zur Verfügung stellte.

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So entstanden die ersten Hotel-Sterne

Die Gruppenreisen von Thomas Cook & Co. führten im späten 19. Jahrhundert zu einem Reise-Boom. Reisen wurde immer populärer – und die vermögende englische Mittel- und Oberschicht konnte es sich leisten. Die ersten Reisen unternahmen die Engländer in der Gruppe, doch später kamen sie alleine. Bei der Entwicklung des Individual-Tourismus spielten aber auch die Reiseführer eine wichtige Rolle. im Jahr 1838 veröffentlichte der Buchverlag von John Murray (1808 bis 1892) das „Handbook for Travellers on the continent“. Zwei Jahre später erschien Murrays erster Reiseführer für die Schweiz. Der englische Reiseverleger publizierte in seinem Schweiz-Guide erstmals eine Liste von Gasthäusern und Hotels zu jeder Ortschaft.

Der zweite bedeutende Reiseführer über die Schweiz wurde 1844 vom Verlag Karl Baedeker (1801 bis 1859) herausgegeben. Baedeker orientierte sich aber am Reiseführer von Murray. Das Besondere: Karl Baedeker zeichnete die besten Berghotels der Schweiz erstmals mit Sternen aus. So entstanden die Hotel-Sterne (Klassifikation), die heute noch aktuell sind und von den Branchenverbänden europaweit vergeben werden.

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Die englischen Berggänger der „Belle Epoque“ waren nun – ausgerüstet mit dem neusten Murray oder Baedeker unter dem Arm – bereit für das „Abenteuer Hochgebirge“ in den Schweizer Alpen. Die Reiseführer sprachen aber nicht nur Bergsteiger und Hochalpinisten an, sondern auch „Genussberggänger“, die in den alpinen Hotels abstiegen und aus sicherer Distanz von der Terrasse aus die Abenteuer am Fels beobachteten. Bereits um 1900 waren die aktiven Bergsteiger, welche die hohen Gipfel eroberten, eine Minderheit. „Fernglas und Champagner lösten nun Bergschuhe und Alpenstock ab“, so Roland Flückiger.

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Und so entstanden die ersten Alp- und Berghotels

Noch im 17. und 18. Jahrhundert waren die Alpen vor allem ein Durchgangsland. Man überquerte die Alpenpässe mit dem Ziel, vom Norden in den Süden oder umgekehrt zu reisen. Es gab nur wenige Unterkunftsmöglichkeiten, zum Beispiel in den Hospizen der Alpenpässe. Hospize wie diejenigen auf der Grimsel oder auf dem Gotthard standen den Bedürftigen bis ins 19. Jahrhundert kostenlos zur Verfügung. Die „Gäste“ übernachteten in Ställen auf Stroh, so wie die Tiere. Die wenigen Gasthäuser in der Alpenregion standen in der Frühzeit des Tourismus vor allem in den Tal-Dörfern. Sie boten einfache Nachlager an. In höheren Lagen übernachteten die Wanderer und Bergsteiger in Privathäusern, bei Gemeindepräsidenten, Landvögten oder Pfarrherren.

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Einige Gemeinden führten ein Wirtshaus in eigener Regie, so zum Beispiel Meiringen oder Gstaad mit dem „Landhaus“. In Interlaken gab es im späten Mittelalter eine bekannte Klosterherberge, die der Staat auf der Grundlage eines Tavernenrechts an Privatpersonen verpachtete.

Erste Fremdenunterkünfte für Bergsteiger entstanden im frühen 19. Jahrhundert. Auf der Rigi wurde 1816 das erste Berggasthaus der Schweiz eröffnet, im Berner Oberland entstand in den 1820er-Jahren ein Bergasthaus auf dem Faulhorn, um 1830 wurden im Wallis mehrere Gast- oder Wirtshäuser eröffnet, so zum Beispiel in Saas Grund oder am Rhonegletscher.

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Das erste Berghotel der Schweiz entstand auf der Rigi

Die Rigi war lange Zeit der berühmteste Berg der Schweiz, ein Wallfahrtsort und Ausgangspunkt der touristischen Entwicklung im Alpenraum. Auch da spielten die englischen Reiseführer eine zentrale Rolle, indem immer mehr „normale Aussichttouristen“ – und nicht nur Wallfahrende – den Berg bevölkerten.

Es drängte sich so etwas wie ein Hotel auf dem Gipfel auf – und so wurde am 14. August 1816 das erste Berghotel auf Rigi-Kulm eröffnet. Von Komfort konnte allerdings keine Rede sein, denn das erste Kulmhaus auf der Rigi unterschied sich nur unwesentlich von den damaligen Alphütten.

Das Haus mit seinen drei Zimmern und den sechs Betten genügte dem Ansturm der Touristen bald nicht mehr. Acht Jahre später wurde das Kulmhaus vergrössert, die Bettenzahl stieg auf 26. Das Gasthaus auf der Rigi war damals das berühmteste und erfolgreichste Berghotel der Schweiz.

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Damit nicht genug: Der Touristenstrom riss nicht ab und es drängten sich weitere Hotelbauten auf. Im Sommer 1825 standen auf der Rigi nicht weniger als sieben Gasthäuser mit über 200 Betten.

Zum Vergleich: Weggis und Vitznau am Vierwaldstättersee hatten damals nur gerade zwei bescheidene Gasthäuser, die berühmten Grandhotels (zum Beispiel Vitznauerhof) entstanden erst Jahre später. Luzern, der Bürgenstock, Morschach und Seelisberg waren zu dieser Zeit in den Reiseführern noch gar nicht erwähnt.

Auch im Berner Oberland bot sich um 1830 das gleiche Bild: In der Jungfrauregion erwähnen die damaligen Reiseführer neben Thun und Interlaken nur gerade die Talorte Lauterbrunnen und Grindelwald. Und im Wallis, der späteren Hochburg des alpinen Tourismus, waren Orte wie Zermatt oder Saas Grund (noch) kein Thema. Die Reisenden aus England fuhren über die Bischofsstadt Sitten durchs Rhonetal, dann über den Simplonpass nach Mailand. Die Seitentäler liess man vorerst links liegen.

Doch das änderte sich in den späten 1830er-Jahren rasch, denn jetzt begann im schweizerischen Fremdenverkehr eine intensive Bauphase. Die ersten richtigen Gasthäuser und Hotels entstanden aber nicht in den Alpen, sondern an den grossen Seen und in den Städten. In Genf, Lausanne, Vevey, Thun oder Luzern entstanden damals die ersten repräsentativen Hotelbauten. Zwar wurde auch in den Berggebieten gebaut, vor allem in Tälern und Dörfern. Es waren aber eher bescheidene Gasthäuser, die oft direkt an den Verkehrswegen lagen.

An der 1830 eröffneten Gotthardstrasse entstanden mehrere Gasthäuser, so zum Beispiel der „Goldene Löwen“ in Amsteg oder das „Weisse Ross“ in Göschenen. Die meisten Hotelbauten in höheren Lagen entstanden später in den Walliser Alpen und im Berner Oberland. Dort, wo die höchsten Berggipfel im Alpenraum existierten. Die Innerschweiz und Graubünden waren zu dieser Zeit für die Bergsteiger aus England noch kein Thema.

Um 1840 entstanden an der Strasse durchs Goms im Wallis die ersten Gasthäuser mit Betten. Sie dienten als Ausgangspunkt für die Besteigung des Eggishorns und die Begehung des Aletschgletschers.

Im Berner Oberland erhielt 1834 die Bergschaft Wengernalp von der Berner Regierung eine Konzession für den Bau eines Wirtshauses. Und wenig später durfte der Gastwirt Peter Brawand seine Alphütte auf der Kleinen Scheidegg zum Wirts- und Gasthaus ausbauen.

Auf dem Brienzer Rothorn wurde – nach dem Pionierbau auf dem Faulhorn – um 1840 das zweite Gasthaus auf einer Berner Oberländer Bergspitze eröffnet.

„Die alpinen Gasthäuser der 1830er-Jahre unterschieden sich, soweit ihre bauliche Gestalt überhaupt bekannt ist, kaum von den traditionellen Bauten in ihrer Gegend“, betont Roland Flückiger. „Mit dem Baumaterial aus der Umgebung entstanden in der Regel einfache Holzhütten, in waldlosen Gegenden, wie am Rhonegletscher, auch Steinbauten.“

Architektonisch gesehen waren die ersten alpinen Gasthäuser mit den repräsentativen, im klassizistischen Stil erbauten Grandhotels am See in keiner Weise vergleichbar.

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Ruhige Zeiten in den 1840er-Jahren

Die 1840er-Jahre waren eine eher stille Zeit, was den Bau von neuen Berghotels betraf. Die „Invasion“ der englischen Bergsteiger stand ja noch bevor.

Eine Ausnahme war das nach 1840 eröffnete Gipfelhaus auf dem Säntis im Appenzell. Fünf Jahre später entstand eine Wirtschaft in Gipfelnähe. Erst 1875 wurde auf der Westseite des Säntis ein Hotel eröffnet, das „20 Betten à 4 Franken“ und ein „Heulager mit Decke für 1 Franken“ bot. Entscheidend für die Entwicklung des Tourismus auf dem Säntis war später der Bau der Säntisbahn.

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1841 entstand in Saxon im Rhonetal ein kleines Hotel beim neu eröffneten Bad, im gleichen Jahr wurde beim Reichenbach-Bad (Meiringen) ein neues Steingebäude als „Gasthof ersten Ranges, mit warmen und kalten Bädern und einer Wasserheilanstalt“ gebaut. Intensiv gebaut wurde in den 1840er-Jahren in Leukerbad, dem bekanntesten Bad zu jener Zeit. 1844 öffnete das „Hotel des Alpes“ seine Tore, ein Jahr später das „Hotel Bellevue“.

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Die zweite Generation Berghotels nach 1850

Die zweite wichtige Bauphase in der schweizerischen Hotellerie begann um 1850. Besonders viele Hotels und Gasthäuser wurden nach 1860 erbaut, als viele touristische Regionen einen eigentlichen Boom erlebten. An den Seeufern entstanden zu dieser Zeit viele neue Fremdenorte wie Montreux und Clarens am Genfersee, Oberhofen, Gunten und Spiez am Thunersee oder Gersau, Vitznau und Flüelen am Vierwaldstättersee. Die durchschnittliche Bettenzahl pro Hotel lag in Montreux vor 1860 unter 40, danach stieg sie bis 1875 auf rund 80 pro Hotelbetrieb. Starkes Wachstum im Hotelbaubereich erlebte zu dieser Zeit das Wallis, dem Zentrum der englischen Berg-Enthusiasten.

Dann brach, nach dem Ende des deutsch-französischen Krieges von 1871/72, die europaweite Wirtschaftskrise aus. Hintergrund war der Börsenkrach im Mai 1873 in Wien. Die Krise übertrug sich folglich auf das ganze westliche Finanzsystem.

Doch es war nicht die Finanzkrise, die im Hotelgewerbe zu einem starken Einbruch führte, sondern die Verschuldung der Gastbetriebe seit den 1850er-Jahren. Hinzu kamen einige nasse und verregnete Sommermonate in den 1870er-Jahren. Die wirtschaftliche Krise dauerte an manchen Orten bis gegen 1890 und trieb viele Hotelbetriebe in den Konkurs. Stark betroffen war vor allem das Berner Oberland. In Interlaken wurden beispielsweise bis weit in die 1890er-Jahre hinein keine Hotels und Gasthäuser mehr gebaut.

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Am meisten Hotels wurden in den Jahrzehnten nach 1850 im Oberwallis gebaut. In Zermatt, Saas und im Aletschgebiet wurden laufend neue Häuser eröffnet – Wirtschaftskrise hin oder her. Die Eroberung der Dufourspitze im Monte-Rosa-Massiv, mit 4634 Metern der höchste Punkt auf Schweizer Boden, war sozusagen der Startschuss für den rasanten Aufstieg des Bergdorfes Zermatt, das nun immer mehr zum Zentrum der englischen Alpinisten und der Bergsteigerei in den Schweizer Alpen wurde.

Bereits 1855 begann der Ausbau der touristischen Infrastruktur am Fusse des Matterhorns, als der einflussreiche Walliser Politiker Joseph Anton Clemenz aus Visp sein neues Hotel „Mont Cervin“ eröffnete. Dann kam Alexander Seiler aus dem Goms nach Zermatt. Er übernahm die Pacht eines Gasthauses, aus dem 1852 das legendäre „Hotel Monte Rosa“ wurde. Es war dann jahrelang der Stützpunkt der englischen Bergsteiger. Ein weiterer Höhepunkt im Hotelbau von Zermatt war das 1854 eröffnete „Riffelhaus“ am Gornergrat. Das auf 2500 Meter gelegene Berghotel bot den Bergsteigern die ideale Unterkunft. Das so genannte „Riffelhaus“ war denn auch für kurze Zeit eines der berühmtesten Hotels im gesamten Alpenraum.

Auch im Berner Oberland entstanden im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts zahlreiche neue Berghotels und Gipfelhäuser. Der Bau-Boom in den Oberländer Alpen begann um 1856, als auf der Engstlenalp, an der Grenze zwischen Bern und Obwalden, ein Gasthaus entstand. 1862 wurde auf dem Brünigpass das „Hotel Brünig“ eröffnet.

Im Berner Oberland entstanden zu dieser Zeit vor allem Gipfelhotels. Den Anfang macht das 1858 eröffnete Hotel auf dem Niesen, 1859 folgte das Gasthaus auf der Schynigen Platte, 1863 das „Hotel Alpenrose“ in Wilderswil, 1870 das neue Hotel Grindelwald-Rigi auf dem Männlichen ob Wengen. Auch in den Taldörfern des Berner Oberlandes wurden immer mehr Hotels gebaut, so zum Beispiel in Kandersteg und Grindelwald.

In der Innerschweiz setzte der Hotelbau in höheren Lagen nach 1850 ein. Am meisten Hotels entstanden einerseits im Verkehrskreuz von Gotthard-, Furka- und Oberalppass, andererseits in den Berggebieten südlich des Vierwaldstättersees. In Engelberg wurden vor allem in den 1860er-Jahren neue Hotels gebaut. Es war der Hotelpionier Franz-Josef Bucher-Durrer (1834 bis 1906), der mit der Eröffnung des Hotels Sonnenberg die touristische Entwicklung in Engelberg regelrecht ankurbelte.

Entscheidend für die Entwicklung der Hotellerie im Engadin und insbesondere in Pontresina war die Erstbesteigung des Piz Bernina, des einzigen Viertausenders in Graubünden. Das war am 13. September 1850. Pontresina wurde immer mehr zum Zentrum für Gebirgstouren. Eine Tatsache, die den Hotelbau stark beschleunigte. Viele Hotels im Engadin entwickelten sich am Anfang aus alten Engadiner-Häusern.

Highlights der touristischen Entwicklung in Pontresina waren zu dieser Zeit die Eröffnung der Hotels Saratz und Kronenhof. Das heutige Grand Hotel Kronenhof wurde um 1870 durch ein Nachbarhaus vergrössert. So entstanden 42 Zimmer mit 70 Betten.

1873 entstand auch im Hotel Saratz ein neuer Hoteltrakt mit grossem Speisesaal. Erstaunlich: Zwischen 1875 und 1885, als vielerorts eine Tourismuskrise herrschte, wurden in Pontresina frisch und fröhlich weitere Hotels und Gasthöfe gebaut oder erneuert. So wurde auch der Kronenhof 1877 zu einem Grosshotel mit 190 Betten ausgebaut. Am Ende dieser Bauphase verfügte Pontresina über sieben Hotels mit 900 Betten. Pontresina war nun – hinter dem führenden St. Moritz – der zweitgrösste Fremdenort im Oberengadin.

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Die Hochblüte der alpinen Aussichtshotels

Die Hotelstandorte über den grossen Schweizer Seen erlebten in den 1860er-Jahren ihre Hochblüte. Glion über dem Genfersee war einer der prominentesten Höhenorte, aber auch Beatenberg oder Aeschi im Berner Oberland profilierten sich als Aussichtsorte mit viel Sonne und wunderbarem Blick in die Alpenwelt. Doch vor allem rund um den Vierwaldstättersee entstanden Hotels an bester Lage mit Sicht auf die Innerschweizer Bergwelt. Die wichtigsten Aussichtshotels Mitte der 1870er-Jahre waren das neue Hotel Axenstein und Axenfels oberhalb von Morschach sowie die Hotels auf dem Bürgenstock und Seelisberg.

Gleichzeitig entstanden die ersten Aussichtshotels im Gebirge. Es waren nicht mehr die ambitionierten Bergsteiger, welche nun die alpinen Orte bevölkerten, sondern Genussgäste, die tagelang auf den Terrassen der Berghotels an der Sonne sassen und die Sicht auf Natur und Bergwelt genossen. Laut Roland Flückiger „mutierten die Hotels in höheren Lagen vielerorts zu eigentlichen Hotelterrassen.“

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Das neue Verhalten der Gäste hatte natürlich Auswirkungen auf die Architektur der Hotelbauten. Diese erhielten nun vermehrt Balkone, denn die Gäste stiegen nicht mehr frühmorgens um vier Uhr aus dem Bett, um einen Viertausender zu besteigen. Nein, sie genossen den Tag auf ihrem Balkon oder auf den grossen Terrassen der Hotels. In dieser Zeit entstanden im Berner Oberland in den späten 1850er-Jahren die „touristischen Urzellen“ (Roland Flückiger) der später bedeutenden Ferienorte Mürren und Wengen. „Mit der Eröffnung des Grand Hotel des Alpes in Mürren durch Christian Gurtner vom Hotel Steinbock in Lauterbrunnen im Mai 1874 entstand das erste eigentliche Aussichtshotel in einem Bergdorf“, so Flückiger.

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Die grosse Hotelbauphase in der Belle Epoque

Nach der wirtschaftlichen Krise in den 1870er-Jahren erholte sich die Schweizer Hotellerie um 1885, sodass eine neue intensive Bauphase einsetzen konnte. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges entstanden in den grossen Tourismusgebieten zahlreiche Hotelbetriebe.

„Mancherorts schossen die Hotels gleichsam wie Pilze nach einem Sommerregen aus dem Boden“, so Roland Flückiger in seinem Buch über die Entwicklung des Bergtourismus. In Zahlen: Zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg konnte sich die Gesamtzahl der Hotels in der ganzen Schweiz von etwa 1000 auf 3600 mehr als verdreifachen, die Bettenanzahl erhöhte sich dabei von 58 000 auf 170 000. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung nach 1894 steigerte sich die Zahl der Fremdenbetten in den über 1500 Meter über Meer gelegenen Berghotels von 14 500 auf 26 600. Die Logiernächte in der ganzen Schweiz stiegen in der gleichen Zeit von 9,5 auf 19,4 Millionen.

Die Hotels verdienten in den „goldenen Jahren“ der Belle Epoque auch gutes Geld. Roland Flückiger: „Einsamer Spitzenreiter war das Hotel Beau-Rivage in Lausanne-Ouchy mit sagenhaften 30 Prozent Dividende für das Geschäftsjahr 1913. Der Aktienwert dieses Hauses hatte sich von 537 Franken (1904) auf 1370 Franken im Jahr 1913 fast verdreifacht.“

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Trotzdem bahnte sich in den „goldenen Zeiten“ der Belle Epoque so etwas wie eine neue Tourismuskrise an, denn die Logiernächte stagnierten und die Zimmerauslastung der Hotels sank. Die Gründe dafür waren Überkapazitäten und Preisdumping. Zudem waren viele Hotels seit den 1890er-Jahren nicht mehr in der Lage, wichtige Investitionen in die Infrastruktur ihrer Häuser zu tätigen. Oder sie konnten Investitionen, zum Beispiel im sanitären Bereich und bei der Elektrizität, nicht mehr im vollen Umfang auf die Zimmerpreise abwälzen. Roland Flückiger: „Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wiesen zahlreiche Hotels eine hohe Verschuldung auf. Doch der Erste Weltkrieg hatte die Krise in der Hotellerie nicht verursacht, sondern nur beschleunigt. Nicht nur die Hotellerie des Berner Oberlandes war betroffen, sondern auch das Wallis. Auch Häuser wie das Hotel Glacier et Poste in Fisch oder das Hotel auf der Belalp wiesen für das Jahr 1913 markante Rückgänge auf.“

Nicht wenige Hoteliers litten auch unter einem neuen Phänomen, das sich laut Roland Flückiger um 1900 im Alpenraum verbreitete: die Spekulation mit Hotelbauten. Man baute Hotels zum Zweck des Verkaufs. Dies war besonders in der Jungfrauregion, in Interlaken, Mürren und Wengen ein Thema. Dieser „Bau auf Vorrat“ verschärfte die zunehmende Krise in der Branche zusätzlich.

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Neue Hotels und Fremdenorte dank neuen Bahnlinien

In der Zeit um 1900 verbreitete sich der Tourismus in fast allen Alpentälern der Schweiz. Auch kleine Dörfer, die früher nur von wenigen Bauern bewohnt wurden, verwandelten sich in Fremdenorte mit Gasthäusern und Hotels. Entscheidend für die touristische Entwicklung in den Alpen waren die neu eröffneten Bahnlinien, wie man dies bereits in den 1870er-Jahren an der Rigi beobachten konnte.

Drei Bahnlinien erschlossen damals den berühmten Aussichtsberg in der Innerschweiz, was in kürzester Zeit zu einer Verdreifachung der Hotelkapazitäten führte.

Saanen-Gstaad im Berner Oberland war bis zur Eröffnung der Montreux-Oberland-Bahn (MOB) im Jahr 1914 ein unbekanntes, kleines Bauerndorf. Das änderte sich dank der MOB schlagartig.

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Höhepunkt des Hotelbaus im Saanenland war das auf die Wintersaison 1913/14 eröffnete „Hotel Royal Winter-Palace“ (heute Gstaad Palace), ein imposanter Bau mit 200 Betten und 70 Badezimmern sowie elektrischer Beleuchtung und Zentralheizung. Der einheimische Sekundarlehrer und Initiant Robert Steffen-Rieben wollte sein Dorf mit dem „Palace“ zum „St. Moritz der Westschweiz“ machen, was ihm in kurzer Zeit auch gelang.

In der Zeit der Belle Epoque zwischen 1880 und 1914 wurden auch bestehende alpine Fremdenorte markant ausgebaut. Roland Flückiger: „Die Liste der um 1900 erweiterten und mit Hotelbauten angereicherten Stationen ist lang: Zu den damals anwachsenden Orten im Wallis gehörten die von der Eisenbahn neu erschlossenen Dörfer von Champéry, Finhaut sowie Zermatt. Doch auch im Berner Oberland trug der Bahnbau entscheidend zum raschen Ausbau der Fremdenindustrie bei. So erhielten Grindelwald und Lauterbrunnen als Taldörfer sowie Mürren und Wengen in Höhenlage zu Beginn der 1890er-Jahre einen Bahnanschluss, was den Hotelbau dort mächtig ankurbelte. Im Frutigtal verdanken Kandersteg und Adelboden der 1901 eröffneten Eisenbahnlinie von Spiez nach Frutigen einen grossen touristischen Aufschwung. In Adelboden bewirkte der Bahnbau bis nach Frutigen die Einführung des Wintersports im Dezember 1901 als einer der frühesten Fremdenorte im Berner Oberland.“

Die Belle Epoque war auch die Zeit der neuen Hotels an bester Aussichtslage. „Eine verwöhnte Kundschaft, die im Sommer ihren Aufenthaltsort vorübergehend in die Schweizer Bergwelt verlegte, schätzte bei diesen Hotels neben dem günstigen Standort als Ausgangspunkt zur Bergbesteigung vor allem den Blick auf die Alpenwelt.

Zwischen Lunch und Dinner genoss die immer noch mehrheitlich englischsprachige Kundschaft das unvergleichliche Panorama auf der Hotelterrasse und erfreute sich an den bergsteigerischen Heldentaten, welche sie nun mehrheitlich aus der Ferne betrachtete und nicht mehr, wie in den 1860er-Jahren, selber beging“, so Roland Flückiger.

Hotels an schönster Aussichtslage gab es in allen alpinen Regionen. Eines der imposantesten Aussichtshotels im Alpenraum erbaute der Zermatter Hotelkönig Alexander Seiler zwischen 1878 und 1884, mehr als ein Jahrzehnt vor dem Bau der Gornergrat-Bahn, oberhalb von Zermatt auf 2222 Metern: das monumentale Hotel Riffelalp (heute ein alpines Luxusresort).

Auch in der Innerschweiz war der Hotelbau auf den Berggipfeln in dieser Zeit besonders intensiv. Nach den älteren Hotels Klimsenhorn und Bellevue aus der Zeit um 1860 kam ein Jahr nach der Eröffnung der Zahnradbahn 1889 das neue Hotel Pilatus-Kulm bei der Bergstation hinzu. Und auf dem benachbarten Stanserhorn entstanden – auf Initiative des Tourismuspioniers Franz-Josef Durrer-Gasser – die Standseilbahn in drei Sektionen und das auf dem Grat thronende, imposante Gipfelhotel.

“Schliessen“

Von Badezimmern und WC-Spülungen

Laut dem Historiker Roland Flückiger hielt die moderne Technik bei den Berghotels bis zum Ersten Weltkrieg nur ansatzweise Einzug. „Fliessendes Wasser war der erste Komfort, der dank eigenen Quellen auch in den alpinen Regionen bald angeboten werden konnte. Auf die kommunale Trinkwasserversorgung warteten die Berghotels aber lange Zeit. So erhielt zum Beispiel Zermatt erst 1902 eine Wasserversorgung und ein Kanalisationssystem, vorher fanden sich im Dorf nur zwei öffentliche Brunnen, dazu einige private Hotel-Wasserleitungen.

Die Toiletten neben den Treppen an der hinteren Aussenseite des Hotels, oftmals von den Zwischenpodesten aus zugänglich, blieben bei vielen Berghotels auch noch erhalten, als die Wasserspülung gegen 1900 beinahe überall Einzug hielt und Geruchsimmissionen nicht mehr das zentrale Problem von Toilettenanlagen bildeten.“

Der Fahrstuhl nach oben…

Liftanlagen gehörten spätestens um 1880 in den bedeutenden Hotels zum zeitgemässen Komfort. Bei den Berghotels hat sich dieses technische Hilfsmittel aber bis zum Ende der Belle Epoque nur in Einzelfällen durchgesetzt. So war der 1887 im Engelberger Hotel & Kurhaus Titlis eingebaute Personenlift lange Zeit die höchstgelegene Liftanlage im Schweizer Berggebiet. 1898 erhielt das Hotel Mont Cervin in Zermatt einen Lift, gemäss der damaligen Hotelwerbung „der einzige Lift bei allen Seiler-Hotels“.

Im Gegensatz zu den frühen einfachen Gasthäusern wiesen die alpinen Grand Hotels der Belle Epoque kein spartanisches Innenleben mehr auf. Nun gab es auch in vornehmen Berghotels neben dem Speisesaal zusätzliche Salons für die Damen, zum Rauchen und zum Spielen sowie für weitere Bedürfnisse der Gäste.

Der „grosse Tisch“ in den Speisesälen wurde 1900 auch in den Hotels auf den Alpweiden durch kleinere Tische mit feinen Tischtüchern ersetzt, an denen man das exquisite Essen mit Silberbesteck aus Porzellangeschirr genoss.

Der „grosse gemeinsame Tisch“, an dem sich die ganze Hotelgesellschaft versammelte, hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts also auch in den höheren Lagen ausgedient. „Mit diesen Veränderungen erreichte der Hotelbau vor dem Ersten Weltkrieg auch in den alpinen Gegenden seinen Höhepunkt“, so Roland Flückiger.

Die Berghotels repräsentierten nun nicht mehr ein Angebot für anspruchsvolle Berggänger, sondern sie beherbergten, insbesondere in den von den Engländern vereinnahmten Gebieten, eine mondäne Klientel, die sich alle Annehmlichkeiten der Grand Hotels auch in den Berghäusern wünschte und diese nicht nur in den „Kathedralen des Tourismus“, sondern auch in den meisten andern Berghotels erhielt.

Quelle:
Hans R. Amrein: Alp- & Berghotels Schweiz; WERD & WEBER VERLAG AG

Berg-Hotels. Zwischen Alpweide und Gipfelkreuz.
Alpiner Tourismus und Hotelbau 1830 bis 1929.
Hier und Jetzt Verlag, 2015
Autor: Roland Flückiger-Seiler

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